Informationsverarbeitung als Gegenstand von wirtschaftlicher Tätigkeit

Wir entwickeln einen allgemeinen Begriff von Information der für die Wirtschaft angewendet werden kann, wie für die Biologie und die klassische Informationsverarbeitung.

Das Ziel ist es, damit einen Begriff zu haben, mit dem wir Informationsverarbeitung so verallgemeinern, dass Konzepte zwischen verschiedenen Anwendungsbereichen übertragen werden können.

Der Informationsbegriff der Biologie

Der materiell geprägte Begriff der Informationsverarbeitung in der Biologie lässt mit dem ideenbasierten Verständnis in der Informationsverarbeitung vergleichen.

Der Informationsbegriff im Wirtschaftsmodell

Auch Unternehmen lassen sich gut als Information verarbeitende Systeme beschreiben. Dabei wird es für das Modell unerheblich ob sie mit materieller oder ideeller Information arbeiten.

Die Vorstellung, dass Waren- und Dienstleistungsströme als Information verstanden werden können, mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen. Doch schon in den Anfängen der klassischen Kybernetik wurden Ähnlichkeiten zwischen der Struktur von Informationsflüssen und wirtschaftlichen Austauschprozessen untersucht. Die Kybernetik, die sich mit der Steuerung und Regelung komplexer Systeme beschäftigt, erkannte in der Wirtschaft ein Netzwerk von Kommunikationen, in dem nicht nur Daten, sondern auch Waren und Dienstleistungen als Träger von Informationen fungieren können. Diese Perspektive legt nahe, dass wirtschaftliche Prozesse als Informationssysteme betrachtet werden können, die auf Rückkopplung, Signalverarbeitung und Entscheidungsfindung basieren.

In meinem Aufsatz möchte ich diese historische Perspektive aufgreifen und als erstes näher beleuchten, mit welchen Argumenten sich die Übertragung des Informationsbegriffs auf wirtschaftliche Ströme heute begründen lässt. Dabei werde ich untersuchen, wie diese Analogie dazu beitragen kann, wirtschaftliche Prozesse besser zu verstehen, und welche praktischen Implikationen sich daraus ergeben. Die Verbindung zwischen Information und wirtschaftlichem Austausch bietet nicht nur einen theoretischen Erkenntnisgewinn, sondern könnte auch neue Ansätze für die Gestaltung und Steuerung von Wirtschaftsprozessen liefern.

Diese Überlegungen knüpfen an die Einsichten der Kybernetiker an, gehen jedoch darüber hinaus, indem sie moderne Methoden der Systemanalyse und Informationstheorie einbeziehen. Ziel ist es, eine Brücke zwischen historischen Konzepten und aktuellen Fragestellungen zu schlagen, um den Informationsbegriff als analytisches Werkzeug für die Untersuchung wirtschaftlicher Ströme fruchtbar zu machen.

Die Idee, den Informationsbegriff zu erweitern und ihn damit auch abstrakter zu formulieren, ist auch in anderen Bereichen verfolgt worden. Die allgemeine Herangehensweise wird deutlich, wenn wir uns zunächst ansehen, wie der Begriff in der Biologie verwendet wird, und welche Analogien zur elektronischen Datenverarbeitung bestehen. Erst in einem zweiten Schritt werden wir diese Betrachtung auf wirtschaftliche Prozesse übertragen.

Der Informationsbegriff der Biologie

Die Verwendung des Informationsbegriffs in der Biologie geht auf die späten 1940er und frühen 1950er Jahre zurück und ist eng mit der Entwicklung der Kybernetik und Informationstheorie verbunden. Henry Quaster, ein österreichischer Arzt und Radiologe, führte 1949 den Informationsbegriff in die Biologie ein und verband ihn mit der mathematischen Informationstheorie von Claude Shannon. Er interessierte sich besonders dafür, wie die Informationstheorie genutzt werden könnte, um den Ursprung des Lebens zu verstehen. Gemeinsam mit Sidney Dancoff versuchten sie den Informationsgehalt eines Gens zu verstehen. Ihre Arbeit „The Information Content and Error Rate of Living Things“ aus dem Jahr 1949 gilt als erste technische Anwendung der Shannon-Wiener-Informationstheorie in der Genetik. Der Mathematiker Norbert Wiener, Begründer der Kybernetik, trug ebenfalls zur Verbreitung des Informationsbegriffs in der Biologie bei. Er setzte Information mit negativer Entropie gleich, was für die Anwendung in biologischen Systemen relevant war.

Die elektronische Datenverarbeitung war damals noch nicht weit entwickelt. Heute dagegen ist uns der Informationsbegriff vor allem aus der Informationstechnologie bekannt, in der es um Ideen und Daten geht, die Wirklichkeit repräsentieren. Ich versuche deshalb den allgemeinen Begriff der Informationsverarbeitung am Vergleich zwischen der Biologie und der elektronischen Datenverarbeitung herauszuarbeiten.

Ein zentrales Argument für die gemeinsame, übergreifende Verwendung des Begriffs „Informationsverarbeitung“ in sowohl klassischem (ideenbasiertem) als auch biologischem (materiebezogenem) Sinne besteht darin, dass in beiden Fällen Strukturen oder Zustände in Systeme transformiert werden, wobei diese Transformationen an Regeln und Mechanismen geknüpft sind. Im Folgenden gehen wir einige Argumente durch, die diese Sichtweise untermauern. Wir können diese Systematik später bei der Übertragung des Begriffs auf die Wirtschaft wieder anwenden.

Gemeinsamer Fokus auf Zustandsänderungen und Muster

Die Informatik (im klassischen Sinn) betrachtet Ideen, Daten oder Symbole, die gemäß bestimmter Operationen (Algorithmen) verarbeitet werden. Biologische Systeme dagegen verarbeiten materielle „Signale“ (z.B. Moleküle, Nährstoffe, Hormone), indem sie sie erkennen, umwandeln, speichern oder weiterleiten. Auch hier werden Eingaben zu Ausgaben transformiert, oft nach komplexen und stark regulierten Prozessen.

In beiden Fällen gibt es eine Regelmäßigkeit der Transformation – ob es Algorithmen in einer Software sind oder enzymatische Stoffwechselwege in einer Zelle. Das entscheidende gemeinsame Merkmal ist die kontrollierte Zustandsänderung gemäß festgelegter „Anweisungen“ (z. B. genetische Programme, Feedbackschleifen, regulatorische Netzwerke).

Informationsbegriff als abstrakter Ordnungsbegriff

Information im Sinne von Claude Shannon oder anderen Informationstheorien wird gerne abstrakt als Reduktion von Ungewissheit oder als Maß für Wahlmöglichkeiten definiert[1]. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob es sich um Bits in einem Digitalrechner oder Moleküle im Zellinneren handelt. Information in der Informatik bezieht sich auf Bitfolgen oder Datensymbole. Die Information in der Biologie kann man beispielsweise am genetischen Code festmachen: Die Sequenz der Nukleotide ist eine kodierte Information, die in Proteine übersetzt wird.

In beiden Fällen geht es darum, wie „etwas“ (Zustände, Muster, Sequenzen) genutzt wird, um systematisch Vorhersagen oder Folgezustände zu erzeugen. Damit wird die Trennung zwischen rein „ideellen Daten“ und „materiellen Molekülen“ teilweise aufgehoben und durch den übergreifenden Informationsbegriff ersetzt.


[1] Details finden sich in der Recherche im Anhang Der Begriff der Information.

Feedback-Schleifen und Regelkreise als universelles Prinzip

Sowohl in der Biologie (z. B. Homöostase, Genregulation) als auch in der Informatik (z. B. Kontrollalgorithmen, Signalverarbeitung) beruhen viele Prozesse auf Rückkopplung. Ein System nimmt einen Zustand oder ein Signal wahr, „verarbeitet“ dieses Signal und reagiert wiederum auf das System selbst oder seine Umgebung.

In der Biologie findet sich dieses Prinzip etwa bei der Regulation des Blutzuckerspiegels oder der Aktivierung/Inaktivierung bestimmter Gene, in der Informatik etwa bei kontinuierlichen Kontrollsystemen (z. B. PID-Controller in der Technik). Diese universelle Idee der Rückkopplung kann als Form von Informationsverarbeitung angesehen werden, da in beiden Fällen Input-Zustände (bzw. -Signale) analysiert und Konsequenzen für das Systemverhalten abgeleitet werden.

Zentrale Rolle von Strukturen und Codes

Ein weiterer Aspekt, der beide Bereiche verbindet, ist die Existenz eines „Codes“ oder struktureller Regeln, die die Verarbeitung steuern. In der Informatik existieren unterschiedliche Programmiersprachen oder Datenformate, die festlegen, wie Daten interpretiert und verarbeitet werden. In der Biologie wird die Proteinsynthese aus DNA-Sequenzen über die mRNA und Ribosomen gesteuert – ein klar geregelter Informationsfluss.

Die Systematik in beiden Bereichen ist unterschiedlich (Moleküle vs. Bits), aber die Existenz kodifizierter Informationen und der Mechanismus zu deren Decodierung zeigt eine Parallele, die das gemeinsame Verständnis von Informationsverarbeitung unterstützt.

Grenzen der Trennung von „Stoff“ und „Idee“

Historisch kommt die Idee, dass „Information“ etwas rein Abstraktes sei, daher, dass wir sie von ihrem materiellen Trägermedium (Papier, Magnetband, Siliziumchip) entkoppeln können[1]. In der Biologie scheint die Materie (Moleküle) hingegen im Vordergrund zu stehen. Dennoch zeigt sich, dass in lebenden Systemen mit jeder Veränderung im Stoffwechsel oftmals auch Regulations- und Kontrollinformationen verknüpft sind. Die Materie (z. B. ein Substratmolekül) ist nicht nur physikalisches Objekt, sondern trägt spezifische Signaleigenschaften (z. B. Bindungsstellen an Enzyme), die dem Gesamtsystem „mitteilen“, wie mit diesem Substrat zu verfahren ist.

So verschwimmt die Grenze zwischen rein „stofflichem“ und rein „ideellem“ Charakter – beide Aspekte werden in einem übergreifenden Informationsbegriff vereint.


[1] Der Satz lässt sich aus dem historischen Kontext der Entwicklung der Informationstheorie und der damit verbundenen Abstraktion des Informationsbegriffs ableiten. Details befinden sich in der Recherche im Anhang Information als Idee.

Kybernetische und systemtheoretische Perspektive

Schon in der klassischen Kybernetik (Norbert Wiener, Heinz von Foerster, Ross Ashby) wurde Information als Schlüsselbegriff eingeführt, um biologische, technische und soziale Systeme vergleichbar zu machen[1]. Man betrachtete lebende Systeme als regulierte, rückgekoppelte Systeme, die gewisse Muster erkennen und darauf reagieren. Diese Systemtheorie legt nahe, dass dieselben Grundprinzipien von Information, Kommunikation und Steuerung sowohl in elektronischen Schaltkreisen als auch in Zellen oder Organismen zu finden sind[2]. So wie ein Computer Daten aufnimmt, verarbeitet und ausgibt, gehen Zellen mit Energie- und Stoffflüssen um – nur läuft das „Programm“ über Enzyme, Rezeptoren und genetische Netzwerke.


[1] Norbert Wiener definierte Kybernetik als „Wissenschaft der Steuerung und Regelung von Maschinen, lebenden Organismen und sozialen Organisationen“. Zentrale Konzepte waren die Information als Schlüsselbegriff, Rückkopplung (Feedback) und Regelung. Die Kybernetik ermöglichte es, biologische, technische und soziale Systeme mit denselben Konzepten zu beschreiben. In der Biologie z.B. wurden Organismen als informationsverarbeitende Einheiten betrachtet, die auf Umweltreize reagieren und ihre inneren Zustände regulieren. Weitere Details befinden sich in der Recherche im Anhang Der Begriff der Informationsverarbeitung in der klassischen Kybernetik.

[2] In den elektronischen Schaltkreisen vermutet man allerdings keine eigene Rückkoppelung. Man kann sie auch nicht als lebende Systeme betrachten. Sie spielen aber in ihrem sozialen Umfeld eine spezifische Rolle, die dazu führt, dass nicht-belebte Systeme ihre Sprecher in diesem Umfeld finden. Diese Sprecher übernehmen für das nicht belebte System die Funktion der Reflexion. Finden nicht belebte Systeme keine Sprecher mehr, dann gehen sie in ihrem sozialen Umfeld in der Regel und mehr oder weniger schnell unter. Bruno Latour beschreibt, bei welchen Gelegenheiten Objekte zum Reden gebracht werden können, siehe Recherche im Anhang Objekte zum Reden bringen.

Evolution und Anpassung als Informationsverarbeitung

Ein sehr starkes Argument für die Begrifflichkeit der Informationsverarbeitung in der Biologie ist die evolutionäre Anpassung. Organismen „speichern“ in ihren Genomen über Generationen hinweg Informationen über erfolgreiche Überlebensstrategien in einer gegebenen Umwelt. Diese „Codierung“ der Erfahrung in Form genetischer Information führt zu unterschiedlich ausgeprägten Phänotypen, die wiederum bestimmten Selektionsdrücken besser standhalten.

Auch in der Informatik existieren Konzepte, die eine ähnliche Idee nutzen, z. B. genetische Algorithmen oder maschinelles Lernen, bei denen „Erfahrungen“ (Trainingsdaten, Feedback-Signale) zur Anpassung eines Modells führen. Das gemeinsame Muster besteht darin, dass Information über die Umwelt aufgenommen, verarbeitet und langfristig in einem „Speicher“ (DNA, Parameter eines neuronalen Netzes) bewahrt wird.

Fazit zum Informationsbegriff der Biologie

Die übergreifende Verwendung des Begriffs „Informationsverarbeitung“ im klassischen, ideenbasierten Sinn und im biologischen, materiebasierten Sinn lässt sich durch folgende Punkte rechtfertigen:

  1. Beide Sphären (klassische Informatik vs. Biologie) beruhen auf der Transformation von Zuständen gemäß festgelegten Mechanismen oder „Algorithmen“.
  2. Abstrakte Informationstheorien (in diesem Fall die mit der Kybernetik verbundene Theorie – andere Theorien sind nicht geprüft[1]) erlauben eine Beschreibung jenseits der Unterschiede zwischen Bits und Molekülen.
  3. Rückkopplung, Regelkreise und Codes spielen in beiden Domänen eine zentrale Rolle.
  4. Sowohl in Computern als auch in Zellen läuft die Verarbeitung über strukturierte Signale ab, deren Interpretation und Weiterleitung regelgeleitet erfolgt.
  5. Evolution und Lernen zeigen, wie Informationen langfristig aufgenommen und gespeichert werden können – egal, ob in Genomen oder in künstlichen Datenspeichern.

Damit entsteht ein konsistentes, vereinheitlichtes Bild von Informationsverarbeitung, das auch den Stoffwechsel von Organismen als eine Form regelbasierter, umweltbezogener und rückgekoppelter Verarbeitungsprozesse begreift.


[1] Hinweise auf weitere Informationstheorien befinden sich in der Recherche im Anhang Weitere abstrakte Informationstheorien. Ich bin diesen Theorien aber nicht nachgegangen, weil die in diesem Aufsatz entfaltete Plausibilität ausreichen sollte.

Der Informationsbegriff in der Wirtschaft

Übertragung des Informationsbegriffs auf Ströme von Waren und Dienstleistungen

Die Idee, Produktionsprozesse in Unternehmen als eine Form von Informationsverarbeitung zu verstehen, lässt sich gut in eine systemtheoretische, kybernetische oder allgemein organisationstheoretische Perspektive einbetten. Im Kern geht es darum, dass Unternehmen (als soziale Systeme) Input aus ihrer Umwelt aufnehmen, diesen Input transformieren und als Output (Produkte, Dienstleistungen oder neue Informationen) wieder an die Umwelt abgeben – analog zu biochemischen oder informatischen Informationsverarbeitungsprozessen. Ein wichtiger Punkt ist dabei, dass es nicht erforderlich werden sollte, zwischen „Informationsverarbeitung“ im klassischen, ideenbasierten Sinn und im biologischen, materiebasierten Sinn unterscheiden zu müssen. Nach dem Vergleich des Informationsbegriffs der Informatik mit dem der Biologie sollte das möglich sein. Wir verfolgen damit das Ziel, einen Begriff zu finden, den wir für weitere Untersuchungen verallgemeinern können.

Wir gehen wieder einige der Kriterien durch, die wir im vorherigen Abschnitt verglichen haben, und untersuchen, ob sich der allgemeine Begriff der Informationsverarbeitung auch auf Wirtschaftsunternehmen übertragen lässt.

Transformation von Ressourcen als Informationsprozess

Unbestritten ist, dass Unternehmen Vorprodukte als Input verarbeiten. Materieller Input könnte darin bestehen, dass ein Unternehmen Rohstoffe, Zulieferteile oder Energie bezieht. Immaterieller Input könnten Kundenbedürfnisse, Marktanalysen, Wissen, Mitarbeiterkompetenz, Finanzinformationen oder Patente sein. All diese Inputs lassen sich als „Signale“ verstehen, die das Unternehmen wahrnimmt und verarbeitet. So wie in einem biologischen System verschiedene „Moleküle“ aufeinander reagieren, sind es im Unternehmen die Ressourcen und Daten, die in aufeinander abgestimmten Abläufen (Prozessen, Routinen, Workflows) in neue Zustände überführt werden (z. B. in ein fertiges Produkt, einen Beratungsservice oder auch ein neues Patent).

Dabei sind Regeln, Abläufe und Strukturen im Unternehmen vergleichbar mit Algorithmen (wenn auch informeller oder sozialer Natur), die festlegen, wie Inputs zu verarbeiten sind. Die betrieblichen Funktionen (z. B. Produktion, Einkauf, Buchhaltung, Marketing) verkörpern solche Teilschritte oder Module der Verarbeitung.

Rückkoppelung und Feedback-Schleifen in Unternehmensprozessen

Ein essenzielles Merkmal der Informationsverarbeitung ist die Rückkopplung. In Unternehmen geschieht dies zum Beispiel

  • In der Marktforschung: Unternehmen beobachten den Markt, sammeln Kundenfeedback und justieren ihre Produktpalette oder Prozesse entsprechend.
  • Im Qualitätsmanagement: Durch Kontrolle und Feedback-Schleifen (z. B. Reklamationen, Fehlerberichte) werden Produktionsabläufe optimiert.
  • Im Finanzcontrolling: Laufende Überwachung der Kosten, Umsätze und Investitionsrendite ermöglicht es, Anpassungen im Budget oder in der Strategie vorzunehmen.

Diese Rückkopplungsmechanismen funktionieren wie Regelkreise in einem technischen System oder einer Zelle, in denen das Systemverhalten an die Veränderungen der Umwelt angepasst wird.

Wissensmanagement als Kodierung und Dekodierung von Information

Das Wissen, das in einem Unternehmen vorhanden ist, ob in Form von Mitarbeiterkompetenzen, Dokumentationen oder Prozessen, kann als kodierte Information betrachtet werden. Ähnlich wie das genetische Material in einer Zelle (DNA) oder die Programmcodebasis in einem Software-System sind die Organisationsstrukturen, Prozessdokumentationen, Handbücher, Arbeitsanweisungen und das implizite Wissen der Mitarbeiter eine Art „Knowledge-Base“, auf die zurückgegriffen wird.

Die Kodierung des Wissens besteht darin, dass Wissen in Standards, Richtlinien oder IT-Systemen festgehalten wird. Die Dekodierung findet statt, wenn Mitarbeiter dieses Wissen abrufen und es in Handlungen und Entscheidungen umsetzen. Je besser dieses Wissen organisiert (also „kodiert“) ist, desto effizienter erfolgt die unternehmensinterne Informationsverarbeitung.

Produktion als systematisch geregelte Verarbeitung

Ein Produktionsprozess in einem Unternehmen funktioniert – falls dies so möglich ist[1] – nach klaren (technischen) Regelwerken:

  1. Das Unternehmen nimmt Input (Rohstoffe, Halbfabrikate, Energie) auf.
  2. Dieser Input durchläuft eine Reihe von prozessualen Teilschritten (z. B. Montage, Qualitätskontrolle, Logistik), die in bestimmter Reihenfolge aufeinander abgestimmt sind.
  3. Am Ende steht ein Output (Produkt, Dienstleistung), der die Organisation verlässt und in den Markt oder an Kunden geht.

Auf jeder Prozessstufe wird in der Regel geprüft (Sensorik, Messungen, Qualitätsmanagement), ob der Zwischenzustand den Anforderungen entspricht. Diese Prüfungen führen zu Informationen, anhand derer das weitere Vorgehen gesteuert wird. So entsteht ein „Fluss von Signalen“ durch das gesamte Unternehmen, ähnlich wie in einem klassischen Informationssystem.


[1] Wir bleiben hier zunächst beim klassischen Fall, in dem es feste Produktionsprozesse gibt. Wenn uns der Vergleich mit der Informationsverarbeitung gelingt, dann werden wir auch in der Lage sein, moderne Verfahren der Informatik (z.B. Objektorientierung) auf die wirtschaftlichen Verhältnisse zurück zu übertragen. Wir wollen die Darstellung hier aber nicht zu kompliziert machen, denn in modernen Verfahren finden sich ebenfalls algorithmisch fest geregelte Abläufe.

Kontinuierliches Lernen als evolutionärer Informationsprozess

Unternehmen, die über längere Zeit bestehen bleiben, lernen kontinuierlich aus ihren Erfahrungen. Dieses „organisationales Lernen“ kann man mit evolutionären Anpassungsprozessen in der Biologie vergleichen:

  • Selektion und Variation: Ideen, Projekte, Produkte, Strategien werden ausprobiert (Variation). Je nach Erfolg am Markt oder im internen Vergleich (Selektion) werden sie übernommen, weiterentwickelt oder verworfen.
  • Speicherung der Erfahrungen: Gelingt ein neues Verfahren oder ein neuer Ansatz, so fließt diese Erfahrung in Routinen und Standards ein. Sie wird damit quasi „genetisch“ (wenn auch metaphorisch gesprochen) im Organisationsgedächtnis verankert.
  • Anpassung an Veränderungen: Unternehmen reagieren auf Wettbewerb, technologische Neuerungen oder regulatorische Vorgaben. Sie passen ihre „Organisations-DNA“ (Struktur, Prozesse, Technologien) an – was wiederum ein Informationsverarbeitungsprozess ist.

In neueren Verfahren der Informationsverarbeitung, insbesondere in den Verfahren der künstlichen Intelligenz, finden wir diese Prozesse ebenfalls.

Organisationstheorie und Informatik: Parallelen zur Kybernetik

In der Organisationstheorie und der Kybernetik (z. B. Stafford Beers „Viable System Model“, James G. March etc.) werden Unternehmen häufig als Informationsverarbeitungssysteme beschrieben:

  1. Wahrnehmung: Das Unternehmen beobachtet interne und externe Signale (Absatz, Marktveränderungen, Personalentwicklung, Technologien etc.).
  2. Interpretation und Entscheidungsfindung: Das Management (bzw. entsprechende Abteilungen) verarbeitet diese Signale mittels bestehender Entscheidungsregeln und Richtlinien.
  3. Handlung: Die Umsetzung im operativen Geschäft (Produktion, Vertrieb, Service).
  4. Rückkopplung: Erfolgsmessung (Finanzkennzahlen, Kundenzufriedenheit, Marktanteile) und Anpassung der Pläne und Strukturen.

Diese Schleifen gelten – unabhängig davon, ob man nun von „Produktion“, „Dienstleistung“, „Marketing“ oder „Strategie“ spricht – als zentraler Mechanismus eines kybernetischen Systems[1].


[1] Wir untersuchen die Strukturähnlichkeit von wirtschaftenden Akteuren, biologischen Systemen und Informationssystemen hier auf einem basalen Level, das sich an der Kybernetik erster Ordnung orientiert. Die interessante Frage nach den Ähnlichkeiten zweiter Ordnung beantworten wir später.

Materielle und Immaterielle Produkte als Output

Je nachdem, ob ein Unternehmen greifbare Güter oder Dienstleistungen / Wissensprodukte produziert, lassen sich Output-Arten unterschiedlich einordnen. Beides kann man jedoch als Ergebnis eines Informationsprozesses begreifen:

  • Materielle Güter: Vom Rohstoff zu einem fertigen Bauteil – jede Wertsteigerung ist an einen Prozess gekoppelt, der auf Daten, Regeln, Know-how und Rückkopplung basiert.
  • Immaterielle Güter: Beratung, Software, Patente, Konzepte – hier ist der Informationscharakter noch offensichtlicher, da der Output direkt ein Wissens- oder Kompetenzprodukt ist.

So oder so stützt der Gedanke, dass Wissen und Regelkreise die Produktion und Wertschöpfung antreiben, eine Sichtweise, in der ein Unternehmen ein umfassendes System zur Informationsverarbeitung darstellt. Die fertigen Produkte stellen eine neue, andere Information dar, als der verarbeitete Input.

Fazit zur Wirtschaft

Unternehmen lassen sich gut als soziale Informationsverarbeitungssysteme beschreiben, weil

  1. Sie Inputs (Ressourcen, Daten, Bedürfnisse) nach bestimmten Regeln und Wissen transformieren.
  2. Sie Feedback-Schleifen nutzen, um sich an Markt- und Umweltveränderungen anzupassen.
  3. Sie Lern- und Evolutionsprozesse aufweisen, in denen erfolgreiche Praktiken im Organisationsgedächtnis verankert werden.
  4. Ihr Output (Güter, Dienstleistungen, Innovationen) eine formale und strukturelle Transformation von Inputsignalen darstellt – im Sinne einer neuen Zustands- oder Produktform.

Auf diese Weise erscheint die Produktionsleistung eines Unternehmens als Ergebnis vielschichtiger Informationsprozesse: vom Sammeln und Bewerten der Markt- und Umweltinformationen bis hin zur finalen Auslieferung eines marktreifen Produkts oder einer Dienstleistung.

Mit diesem Ergebnis haben wir jetzt einen verallgemeinerten Begriff der Informationsverarbeitung zur Hand, der es uns für unsere Untersuchung erlaubt, den Unterschied zwischen der Information als Idee und der Information als materielles Produkt zunächst zu vernachlässigen.