Anwendung auf die Wirtschaft und das Controlling
Anwendung des PKRN auf Wirtschaft und Controlling.
Reduktion von Komplexität
Wirtschaft als intelligentes, emergentes Netzwerk, das sich durch vernetzte Akteure und Informationsverarbeitung organisiert.
Bildung stabiler Strukturen
Institutionen und Wissensstrukturen reduzieren Unsicherheit und Transaktionskosten durch etablierte Routinen und Normen.
Dreigliedrige Struktur von Wissen
Wissen wird in sozialen, semiotischen und semantischen Netzwerken gespeichert und verbreitet.
Zeitliche Dynamik
Die Modulation von Zeit als Zerlegung in verarbeitbare Abschnitte und als Faltung der Erzählung von vergangenen und antizipierten Ereignissen.
Controlling als Beobachtung zweiter Ordnung
Selbstbeschreibung des Unternehmens und Lernprozess durch Reflexion und Feedback.
Zusammenfassung
Von der Komplexitätsreduktion zur wirtschaftlichen Selbstbeschreibung.
Reduktion von Komplexität in Wirtschaft und Controlling
Text
Wirtschaft betrachte ich als ein intelligentes, emergentes Netzwerk[1]. Ihr Verhalten und ihre „Intelligenz“ entsteht aus dem Zusammenspiel vernetzter Akteure. Sie verarbeiten, abstrakt gesehen, Informationen, organisieren sich selbst und erzeugen emergente Muster. Ähnliche Verarbeitungsmechanismen verwenden künstlich intelligente Systeme wie Transformer-Modelle. Beide agieren kontextsensitiv und sie sind lernfähig. Diese Perspektive betont die Dynamik und Komplexität wirtschaftlicher Prozesse. Vernetzung und Informationsaustausch sind grundlegend für das Funktionieren des Gesamtsystems.
Mit der in diesem Aufsatz entwickelten Methodik lässt sich ihr Verhalten noch genauer beschreiben. Bei der Abstraktion und Wissensentwicklung in Unternehmen spielt das Controlling eine besondere Rolle. Mit den hier entwickelten Begriffen können wir diese Rolle jetzt entwickeln. Wir nehmen die Begriffe noch einmal auf:
[1] Siehe auch Das Netzwerkmodell von Unternehmen – Controlling des Controllings
Komplexitätsreduktion durch Sinnunterstellung und Stabilisierung
Die Akteure der Wirtschaft haben jeweils ihre Vorstellungen, was wirtschaften für sie bedeutet. Märkte entwickeln Preise für Vermögenswerte, Waren und Dienstleistungen. Unternehmen verstehen ihre Produktionsprozesse und bilden sich Vorstellungen von ihren Lieferanten und Kunden. Verbraucher haben eine Auffassung davon, welchen Nutzen diejenigen Produkte für sie haben, die sie erwerben wollen. Diese Beispiele sind nur ein kleiner Ausschnitt, tatsächlich ist die Vielfalt der angebotenen Leistungen groß und es gibt Mischformen, wenn zum Beispiel Unternehmen Dienstleistungen für Unternehmen anbieten. Denken wir nur an Marketing und IT-Dienstleistungen.
In allen Fällen spielt eine Sinnunterstellung die entscheidende Rolle[1]. Sie sorgt dafür, dass sich die Akteure auf die Suche nach Unterscheidungen begeben, die für ihren Zweck nützlich sind. Unternehmen dokumentieren die Entscheidung für Sinn und Zweck eventuell in einem Geschäftsmodell. Verbrauchen tragen diese Vorstellung meist implizit mit sich oder lassen sich von Werbung inspirieren. Märkten haben den Sinn ihrer Funktion vielleicht historisch entwickelt, aber er wird in der Regel durch politische Institutionen geschützt.
[1] Dazu auch Katrin Glatzel und Tania Lieckweg: Beratung im Dritten Modus – ein Leitfaden für die Praxis, Seite 16: „Organisationen sind mithin komplexitätsverarbeitende Systeme, die Sinn im Modus von Entscheidungen produzieren“, in Rudolf Wimmer, Katrin Glatzel, Tania Lieckweg (Hrsg), Beratung im Dritten Modus, Die Kunst, Komplexität zu nutzen, Carl-Auer Verlag, Heidelberg, 2015
Bildung stabiler Strukturen
Text
Mit ihrer Nutzung stabilisieren sich Strukturen. Das passiert in allen Formen von veränderbaren Netzwerken meist aus ökonomischen Gründen. Die von mir betrachteten Netzwerke definieren sich speziell über die Transformationen, die zwischen den Akteuren stattfinden. Die Neue Institutionenökonomie (NIE) betrachtet gerade solche Transaktionen und ihre Kosten.
Die NIE versteht Institutionen (Verträge, Normen, Routinen, Netzwerke) als Mittel, um Unsicherheit und Transaktionskosten zu reduzieren. Wissensstrukturen wie gemeinsame Begriffe, interpretative Routinen, semiotische Konventionen und standardisierte Prozesse fungieren in eben diesem Sinne als Institutionen. Diese Strukturen senken nicht nur Informations- und Verhandlungskosten, sondern auch Kontroll- und Koordinationskosten: Wenn alle Beteiligten einen etablierten „Sinn“ oder „Modus Operandi“ teilen, braucht es weniger Überwachung und weniger Missverständnis-Korrektur.
Strukturen
- Black Boxes entstehen im Netzwerk, wenn Akteure Komplexität „wegkapseln“. Ein Unternehmen tritt für andere bloß als „Zulieferer“ in Erscheinung. Es legt seine internen Produktionsprozesse nicht oder nicht jedes Mal offen. Für beide Seiten sinken damit Transaktionskosten. Die Partner tauschen weniger Informationen aus, sie verhandeln weniger Unsicherheiten.
- Kolimiten (in der Kategorientheorie) oder Chunks (in der Kognitionspsychologie) sind emergente Einheiten, die mehrere Teile/Bedeutungen zusammenfassen. Transaktionskosten fallen primär an, wenn Akteure diese Teile neu integrieren müssen. Eine bereits gebildete, stabilisierte Einheit führt zu einer gesenkten Transaktionskomplexität.
- Solitonen (stabile Muster in sozialen Netzwerken) kann man als langfristig etablierte Institutionen deuten. Sie bestehen, weil sie kommunikative Transaktionskosten reduzieren. Beispiele sind vertraute Schlagworte, Erzählweisen, Rituale, die sofort Reaktionen und Handeln auslösen, ohne viel Abstimmungsbedarf.
Stabile Strukturen entstehen genau dort, wo sich die Investition in Sinnstabilisierung lohnt, weil der dauerhafte Nutzen den Aufwand übertrifft. Black Boxes, Kolimiten, Chunks und Solitonen sorgen für niedrige Kosten und reibungslose Zusammenarbeit.
Aus Small-World-Perspektive erklärt dies, weshalb wir dichte Cluster mit lokalen Deutungsroutinen haben. Und sie erklärt, warum es weiniger Verbindungen zwischen Clustern gibt. Die Wirtschaft organisiert sich auf diese Weise kosteneffizient, während zugleich Sinn, Wissen und Koordination emergent entstehen und stabil bleiben.
Dreigliedrige Struktur der Speicherung von Wissen in der Wirtschaft
Text
Jede Transaktion ist Kommunikation, wodurch sich Wissen verfestigt oder ändert. Mit der dreigliedrigen Struktur von Wissensnetzwerken können wir genauer beschreiben, wie sich Wissen im Kontext des Wirtschaftens entwickelt.
Soziale Netzwerke
In der Wirtschaft bilden individuelle oder kollektive Akteure (Unternehmen, Konsumenten, Institutionen etc.) die Knoten des sozialen Netzwerks. Ihre Interaktionen stellen die Kanten dar. Dazu gehören vor allem der Austausch von Waren und Dienstleistungen, Informationsaustausch und zum Beispiel die Leistung von Arbeit durch Individuen oder maschinellen (künstlich intelligenten) Agenten.
Wissen entsteht und verbreitet sich im sozialen Netzwerk durch Kommunikation und Interaktion zwischen diesen Akteuren. Das kann formell durch Verträge und Berichte oder informell durch Gespräche und Beobachtung geschehen. Aber auch die interne Kommunikation in Form der Verarbeitung von Vorprodukten zu Endprodukten in einem Unternehmen sind ein Teil der Schaffung von Wissen.
Institutionen spielen eine wichtige Rolle in sozialen Wissensnetzwerken. Sie legen Regeln und Normen für den Austausch und die Bewertung von Wissen fest. Die Zugehörigkeit eines Akteurs zu einer Institution ist konstitutiv für den Aufbau von Bindungen zu anderen Akteuren.
Soziale Wissensnetzwerke entstehen, wenn die Interaktionen der Akteure explizit auf die Organisation und Produktion von Wissen ausgerichtet sind. In der Wirtschaft können das beispielsweise Forschungs- und Entwicklungsnetzwerke, Branchenverbände oder Innovationsökosysteme sein.
Die Stabilität und Verlässlichkeit dieser Netzwerke hängen von Faktoren wie der Flexibilität und der Absicherung zentraler Knoten durch Redundanz ab. Flexibilität bedeutet die Fähigkeit zur Reaktion auf Ausfälle von Knoten und Kanten.
Semiotische Netzwerke
Reale Gegenstände und externe Repräsentationen des wirtschaftlichen Handelns – Produkte, Dienstleistungen, Technologien, Patente, Verträge, Finanzinstrumente usw. – bilden die Knoten des semiotischen Netzwerks. Die Kanten sind Handlungen oder physische Beziehungen, die einen Zusammenhang zwischen diesen Gegenständen oder Zeichen herstellen. Nach Bruno Latour werden die dabei beobachtbaren Kommunikationen vor allem in Ausnahmefällen sichtbar[1].
Wissen ist in diesen materiellen Kontexten und Symbolsystemen kodiert. Implizites wissenschaftliches Wissen kann beispielsweise in technischen Produkten repräsentiert sein. Auch formale Sprachsysteme, wie in der Buchhaltung oder im Patentrecht, dienen der Wissensrepräsentation.
Die Wissensentwicklung im semiotischen Netzwerk erfolgt durch Kombination, Modifikation und Weiterentwicklung dieser externen Repräsentationen. Innovationen führen zu neuen Produkten und Technologien, die neues Wissen verkörpern. Die Verbreitung von Patenten oder wissenschaftlichen Publikationen trägt zur Externalisierung und Weitergabe von Wissen bei.
[1] Bruno Latour zählt einige Gelegenheiten auf, bei denen Objekte oder Dinge ihre Spuren hinterlassen: wenn sie versagen oder nicht funktionieren, wenn sie ersetzt oder verändert werden sollen, wenn sie zum Streitpunkt werden, wenn sie in neue Kontexte übertragen werden, wenn sie analysiert oder historisiert werden. Siehe hierzu Bruno Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, Kapitel Dritte Quelle der Unbestimmtheit: Welche Aktion für welche Objekte ,Abschnitt Objekte hinterlassen nicht ununterbrochen Spuren
Semantische Netzwerke
Das interne Wissensnetzwerk besteht aus kognitiven Elementen wie Begriffen, mentalen Modellen und Organisationsprinzipien. Diese Elemente stehen in semantischer Beziehung zueinander. Kanten stehen für Denkoperationen, welche diese Elemente miteinander verbinden.
Wissen entsteht im semantischen Netzwerk durch die Interpretation von Erfahrungen und die Verknüpfung neuer Informationen mit bestehenden kognitiven Strukturen. Handlungskontexte erfordern eine ständige Reproduktion kognitiver Zusammenhänge. Dies führt zur Entstehung systemischer Strukturen.
Die intrinsische Bedeutung von Wissen ergibt sich aus der Struktur des semantischen Netzwerks. Die extrinsische Bedeutung ist durch die Gesamtheit der Erfahrungen gegeben, auf die sich das Netzwerk bezieht.
Innovationen entstehen zunächst als individuelle Neuerungen im semantischen Netzwerk. Dann verbreiten sie sich im sozialen Netzwerk und werden im semiotischen Netzwerk externalisiert. Die Stabilisierung solchen geteilten Wissens in einem Small-World-Netzwerk kann zur Voraussetzung struktureller Innovationen des Netzwerks werden.
Zeitliche Dynamik
Text
Wir verstehen die Wirtschaft als ein emergentes, intelligentes Netzwerk. Unternehmen und andere wirtschaftliche Einheiten, reale Gegenstände, Begriffe und mentale Modelle agieren darin als Knotenpunkte. Das zeitliche Chunking auf individueller und organisationaler Ebene beeinflusst daher die Dynamik des Gesamtsystems.
Zeitliches Chunking zerlegt den kontinuierlichen Fluss der Zeit in verarbeitbare Abschnitte. Systeme konstruieren eine erfahrbare Gegenwart, indem sie Vergangenes selektiv stabilisieren und zukünftige Ereignisse antizipieren. Dieser Prozess ist autopoietisch, da Systeme sich fortlaufend selbst erzählen und Anpassungen nur bei Irritationen vornehmen.
Einfluss der Zeitlichkeit
Die Dynamik wirtschaftender Akteure wird dadurch wie folgt bestimmt:
- Zeitliches Chunking synchronisiert das Verhalten verschiedener Akteure. Gemeinsame Planungshorizonte (z. B. Geschäftsjahre, Quartale) und die Fokussierung auf bestimmte Zeiträume koordinieren Aktivitäten im gesamten Netzwerk. Unterschiedliche Chunking-Rhythmen zwischen Akteuren verursachen jedoch Reibungsverluste.
- Stabilität und Trägheit: Die Stabilisierung vergangener Informationen durch zeitliches Chunking kann Erwartungen und Routinen verfestigen. Dies ist für das Funktionieren von Märkten notwendig. Gleichzeitig kann diese Trägheit die Anpassungsfähigkeit des Gesamtsystems an neue Gegebenheiten verlangsamen. Etablierte „Zeitchunks“ lassen sich nämlich nicht ohne Weiteres aufbrechen.
- Die Interpretation der Vergangenheit und die Antizipation der Zukunft durch wirtschaftliche Akteure (zeitliches Chunking) tragen zur Entstehung dominanter Narrative und Paradigmen bei. Diese beeinflussen das kollektive Verhalten. Ein Paradigmenwechsel kann eine grundlegende Reorganisation des zeitlichen Chunkings im System bedeuten. Die alten Strukturen, die aktuelle und vergangene Beobachtungen gewichten, erklären die Realität nicht mehr ausreichend.
- Reaktion auf Irritationen und Krisen: Zeitliches Chunking spielt eine Rolle bei der Verarbeitung von unerwarteten Ereignissen und Krisen. Systeme strukturieren die Zeit möglicherweise feiner und gewichten aktuelle Informationen höher, um die Krise besser zu analysieren und darauf zu reagieren. Die Anpassung der temporalen Muster ist entscheidend für die Resilienz des Wirtschaftssystems.
Diese Muster der zeitlichen Verarbeitung von Kommunikationen finden wir in allen drei Arten von Netzwerken der Wissensspeicherung. Deshalb beobachten wir die Effekte ihrer Dynamik nicht nur innerhalb sozialer, semantischer oder semiotischer Beziehungen, sondern auch zwischen diesen Ebenen der Kommunikation.
Beispiel: Austausch von Produkten
Ein einziges einfaches Beispiel sei hier herausgehoben: Veränderungen in den Kommunikationsprozessen auf wirtschaftlich-sozialer Ebene, also dem Austausch von Produkten, führen zu Irritationen, wenn die mentalen Modelle des Unternehmens, seine semantische Komponente, nicht ebenso angepasst werden. Genauso sind semiotische Komponenten betroffen, wenn Beschreibungen und Dokumentationen nicht angepasst werden. Die unterschiedliche Zeitlichkeit führt hier zu Spannungen, die letztlich aber produktiv sind. Sie sorgen dafür, dass die Etablierung von Clustern, Chunks und Solitonen aktualisiert und aufeinander abgestimmt wird.
Das Controlling als modellbildendes System zweiter Ordnung
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Controlling beschreibt, misst und steuert die Unternehmensprozesse, die wir als Systeme erster Ordnung bezeichnen: Transaktionen zur Waren- und Dienstleistungsproduktion. Controlling operiert daher auf einer Meta-Ebene. Es erzeugt Abbildungen des Unternehmens in Form von Kennzahlen, Berichten und Planungsinstrumenten. Sie sind Teil der Selbstbeschreibung des Unternehmens. Mit seiner Hilfe beobachtet sich das Unternehmen und passt sich und seine Selbstbeschreibung bei Bedarf Veränderungen an.
Beobachtung der Beobachter
Als System zweiter Ordnung „beobachtet es die Beobachtungen“ der operativen Prozesse. Es reflektiert, wie und wo das Unternehmen Informationen aufnimmt, verarbeitet und stabilisiert. Zudem liefert es Modelle, die diese Prozesse erklären und bewerten. Weichen die gemessenen Daten (z. B. Absatz, Qualität, Finanzergebnisse) von den Erwartungen ab, gibt das Controlling Korrekturimpulse. Diese Impulse sind beispielsweise neue Strategien, Budgetumverteilung oder Restrukturierungen. So initiiert es das Lernen im System erster Ordnung.
In seiner Form als eine Struktur ist Controlling selbst ein soziales, semantisches und semiotisches Netzwerk. Auf sozialer Ebene interagieren Controller mit Fachabteilungen, Management und externen Stakeholdern. Vertrauen, Machtgefüge und Akzeptanz von Berichten spielen hier eine Rolle. Auf der semantischen Ebene verwendet das Controlling spezifische Konzepte wie Kostenrechnung, Deckungsbeitrag oder Balanced Scorecards. Es verknüpft diese Bedeutungen zu einem Deutungsrahmen. Dabei fragt es: Was gilt als wichtig? Welche Kennzahlen sind relevant? Auf der semiotischen Ebene spielen Elemente wie Berichte, Dashboards und Planungsdokumente eine Rolle. Sie sind Artefakte, die Wissen kodieren und für die Akteure greifbar machen.
Modellbildung zweiter Ordnung
In dieser Struktur, als Beobachter zweiter Ordnung und gleichzeitig als Wissensnetzwerk, gestaltet Controlling die Selbstbeschreibung des Unternehmens aktiv mit. Es bestimmt, welche Daten als wesentlich gelten, welcher Sinn ihnen zukommt und welche Narrative sich etablieren. Controlling ist damit auch ein modellbildendes System zweiter Ordnung. Es bezieht sich auf den realen Betrieb und liefert diesem eine strukturierte Lesart seiner Prozesse.
Aus dieser Rolle des Controllings ergeben sich konkrete Konsequenzen für seine Arbeit:
- Semantische Nähe und Netzwerkstruktur: Controller sollten darauf achten, dass sie Informationen dort bündeln, wo Entscheider schnellen Zugriff haben. Sie können die Semantische Nähe erhöhen, indem sie Berichte verständlich machen und an Knoten andocken, die stark vernetzt sind. Diese Knoten sind Abteilungen oder Teams, die eine nachvollziehbare Funktion im Gesamtprozess der Produktion übernehmen.
- Rekursiv organisierte Hierarchien: Auch Hierarchien sind Netzwerke, nur mit hoher Verdichtung in den Führungsebenen. Das Controlling kann dafür sorgen, dass jede Hierarchieebene das richtige Maß an Komplexität bekommt – sprich: sinnvolle „Kolimiten“ bereitstellen, sodass sowohl lokale als auch globale Informationen adäquat zusammenfließen.
- Steuerung über Netzwerktopologie: „Steuerung heißt, die Netzwerktopologie so zu gestalten, dass sich die richtigen Strukturen an den richtigen Stellen bilden.“ Das Controlling ist hier ein Schlüssel, indem es Ziele, Kennzahlen und Anreize definiert. Diese Elemente können Clusterbildung oder Brückenbildung im Unternehmen fördern oder behindern.
- Kontinuierliche Feedbackschleifen (zeitliches Chunking): Über periodische Reports, Soll-Ist-Vergleiche, Forecasts wird das Unternehmen rhythmisch auf seine eigenen Erfolge oder Probleme aufmerksam gemacht. Das stabilisiert einerseits etablierte Strukturen, ermöglicht andererseits gezielte Anpassung. In diesen Feedbackschleifen werden Defizite der zeitlichen Abstimmung zwischen sozialen, semiotischen und syntaktischen Kommunikationen aufgegriffen. Die Beseitigung von Defiziten und Widersprüchen führt zu einer plausibleren Selbstbeschreibung des Unternehmens. So liefert sie eine stabile Basis für Entscheidungen unter Unsicherheit[1].
[1] Siehe auch Entscheidung – Controlling des Controllings
Zusammenfassung
Von der Komplexitätsreduktion zur wirtschaftlichen Selbstbeschreibung
Text
Die Komplexitätsreduktion durch Sinnunterstellung, Selektion und Stabilisierung ermöglicht überhaupt erst Informationsverarbeitung. Das mathematische Konzept der Kolimiten spielt hier eine zentrale Rolle bei der Beschreibung der „Bausteine“ stabiler Bedeutungsstrukturen.
Netzwerke (Small-World-Strukturen) bilden Strukturen, weil sie nur so (lokal dicht – global verknüpft) Sinn verlässlich und effizient verarbeiten können. Dabei entstehen Cluster, Solitonen und Black Boxes.
Wissen baut sich in dreifachen Netzwerken (sozial, semantisch, syntaktisch) auf und ist in einer gemeinsamen Semiosphäre fixiert. Auf dieser Basis funktionieren Kommunikation und damit Transaktionen als Chunks des wirtschaftlichen Austauschs.
Zeitliches Chunking (Autopoiesis, Rückkopplungszyklen) steuert, wann und wie ein System Informationen übernimmt oder ändert. So entstehen Gegenwarten und Entscheidungszeiträume, in denen das System stabil genug ist, um zu handeln. Gleichzeitig bleibt es dynamisch genug, um zu lernen.
Die Wirtschaft oder ein einzelnes Unternehmen lässt sich als emergentes, intelligentes Netzwerk verstehen. Das Controlling übernimmt die Rolle eines modellbildenden Systems zweiter Ordnung. Es beobachtet, beschreibt und unterstützt die Produktionsprozesse (System erster Ordnung). Dabei ermöglicht es Selbstbeschreibung und Lernprozesse. Konkrete Implikationen sind beispielsweise die Bedeutung semantischer Nähe, die rekursive Organisation von Hierarchien und das gezielte Gestalten der Netzwerktopologie.
