Informationsverarbeitung als emergenter Prozess in einem Netzwerk von Akteuren

In der Wirtschaft wird Information durch eine Netzwerkstruktur verarbeitet, die sich selbst organisiert und stabilisiert. Die wesentlichen Komponenten der Verarbeitung sind alogische und reaktive Prozesse, Solitonen und die Semiosphäre auf deren Grundlage das Netzwerk arbeitet.

Wir erklären die Komponenten und entwickeln, wie sie das Paradox auflösen, dass die Verarbeitung von Informationen im Netzwerk stabil und dynamisch zugleich ist.

Wirtschaft arbeitet als Netzwerk

Informationsverarbeitung in der Wirtschaft findet in einem Netzwerk statt, in dem Akteure Informationen austauschen. Das Netzwerk ist ein Netz der Netzwerke.

Informationsverarbeitung im Netzwerk

Die Informationsverarbeitung erfolgt durch Emergenz von Informations- und Verhaltensmustern, die sich vor dem Hintergrund der kulturellen Bedeutung von Normen und Erzählungen entwickeln.

Unternehmen als Akteure im Netzwerk der Wirtschaft

Text

Die Überlegung, Unternehmen als Systeme zu verstehen, die Informationen verarbeiten, lässt sich sehr gut mit den Grundgedanken der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) von Bruno Latour verknüpfen. Latours Theorie betrachtet soziale, technologische und materielle Elemente nicht getrennt, sondern als dicht verwobenes Netzwerk von „Akteuren“ oder „Actants“, die sich gegenseitig beeinflussen. Dabei ist jedes Element (vom Menschen bis zur Maschine, vom Gesetzestext bis zum Computerprogramm, vom Produkt bis zum Unternehmensgebäude) potenziell handlungswirksam und spielt eine Rolle in der Netzwerkbildung.

Wir verknüpfen deshalb jetzt unsere informationsorientierte Sicht auf Unternehmen mit der Akteur-Netzwerk-Theorie von Bruno Latour. Hier sind die wichtigsten Punkte.

Auflösung klassischer Grenzen zwischen „Sozialem“ und „Technischen“

Latour möchte die Trennung von „sozialen“, „technischen“ und „natürlichen“ Sphären aufbrechen. In einem Unternehmenskontext heißt das:

  • Ein Unternehmen kommuniziert mit Zulieferern (materielle oder immaterielle Güter), Mitarbeitern (Arbeitsleistung, Wissen) und Kunden (Bedarfe, Feedback).
  • Das Unternehmen nutzt Materialien, Maschinen, IT-Systeme und Dokumente als wesentliche Teile seiner Wertschöpfung.
  • Diese „nicht-menschlichen“ Elemente (z. B. eine Produktionsmaschine oder ein ERP-System) sind in der ANT nicht nur Werkzeuge, sondern werden als Akteure begriffen, weil sie das Verhalten und die Entscheidungen im Unternehmen mitprägen (etwa durch Produktionskapazitäten, Fehlermeldungen, automatisierte Bestellprozesse).

Aus einer informationsverarbeitenden Perspektive sind alle diese Elemente gemeinsam daran beteiligt, Daten und Ressourcen zu verknüpfen und daraus Produkte oder Dienstleistungen zu erzeugen[1].


[1] Nach Bruno Latour agieren Artefakte als dynamische Schnittstellen zwischen Individuen und sozialen Systemen. Sie verankern und verstärken kulturelle und soziale Strukturen. Die Fähigkeit von Artefakten, Bedeutung zu vermitteln, hängt von ihrer Einbindung in spezifische Kontexte ab. Beispielsweise offenbaren Defekte oder Störungen die latente Komplexität und Relevanz eines Artefakts. Die aktive Rolle von Artefakten wirft Fragen zur Macht und Verantwortung in der Gestaltung sozialer Systeme auf: Inwiefern reproduzieren oder transformieren Artefakte bestehende Machtstrukturen? Ich gehe diesen Fragen in einem weiteren Aufsatz nach, in dem es um Solitonen, Artefakte und Akteure gehen wird.

Knoten in einem Netzwerk – wer handelt?

Wenn man davon ausgeht, dass die gesamte Wirtschaftswelt ein großes Netzwerk darstellt, dann sind Unternehmen Knoten[1], die zugleich Input aus dem Netzwerk aufnehmen und Output ins Netzwerk speisen. In der ANT wird deutlich, dass:

  • Menschen (Manager, Angestellte, Kunden) und Dinge (Software, Roboter, Zulieferteile) in Beziehung zueinanderstehen.
  • Diese Beziehungen durch Übersetzungsprozesse (sogenannte Translations) gekennzeichnet sind: Jedes Element „übersetzt“ Anforderungen, Möglichkeiten und Einschränkungen in seinen eigenen Kontext.

Aus ANT-Sicht schauen wir also nicht nur auf menschliche Akteure und ihre Kommunikation, sondern darauf, wie Hardware, Software, gesetzliche Rahmenbedingungen und Organisationsstrukturen gemeinsam eine Informationsverarbeitungsleistung vollbringen.


[1] Die Darstellung der Knoten anhand von Unternehmen ist hier eine Vereinfachung, die der Nachvollziehbarkeit dienen soll. Tatsächlich gelten die Aussagen für alle Arten wirtschaftlicher Akteure. Das wird weiter unten im Text deutlich, z.B. in Netzwerkarchitektur und „Attention“-Mechanismen.

Übersetzung (Translation) als Kern dynamischer Wertschöpfung

Ein wichtiger Begriff in Latours Theorie ist die Translation: Es geht darum, wie Elemente in einem Netzwerk sich gegenseitig definieren, formen und verändern. Übertragen auf die Informationsverarbeitung in Unternehmen kann man sagen:

  • Informationen (z. B. Kundenwünsche, Marktanalysen, Kennzahlen) werden an unterschiedlichen Stellen im Unternehmen aufgenommen und in jeweils andere Formate, Berichte, Artefakte oder Prototypen „übersetzt“.
  • Technische Systeme (z. B. ERP-Tools) wandeln Rohdaten in Bestellvorschläge, die wiederum von Menschen anders gedeutet werden (Investitionsentscheidung, Lieferantenwechsel etc.).

So entsteht ein Prozess der gegenseitigen Anpassung, in dem Unternehmen, Technik, Dokumente, Produkte und Menschen untrennbar miteinander verwoben sind und gemeinsam bestimmen, welche „Information“ am Ende als Ergebnis (zum Beispiel ein fertiges Produkt, Rechnungsabschluss, Marketingkampagne) vorliegt.

Jede Interaktion erzeugt und verbraucht Information

Der Blick auf Unternehmen als Informationsverarbeiter lässt sich durch die ANT dahingehend erweitern, dass jede Interaktion – ob zwischen Mensch und System, zwischen zwei Mitarbeitenden oder zwischen Kunde und Produkt – etwas Neues hervorbringt.

  • Eine Kundenbestellung beispielsweise initiiert nicht nur einen rein sozialen Prozess („Kunde möchte Ware“), sondern auch technische Abläufe (Bestelldatensatz im System, Auslösung einer Kommissionierung), die alle wiederum Informationen darstellen.
  • Durch Reklamationen und Feedback wird das System neu „konfiguriert“ (Produktionsanpassung, Qualitätsmanagement). Hier wirken ebenfalls nicht-menschliche Akteure mit (Mängelberichte, Automatisierungssysteme, Logistiklösungen).

Somit wird klar, dass Kommunikation in Unternehmen (mit Kunden, Zulieferern, intern) immer zugleich materielle und immaterielle Spuren hinterlässt und Netzwerkprozesse stabilisiert oder verändert.

Unternehmen und ihre Produkte als „Black Boxes“

Latour spricht davon, dass Netzwerke dazu tendieren, Black Boxes zu bilden. Das heißt, komplexe Zusammenhänge werden im Laufe der Zeit stabilisiert, sodass sie als „selbstverständliche“ Einheiten oder Akteure erscheinen.

  • Ein Unternehmen kann in einem Lieferantennetzwerk als „einfacher Besteller“ oder „Zahlungspartner“ erscheinen, obwohl intern tausende Prozesse und Menschen am Werk sind.
  • Ein fertiges Produkt (z. B. ein Auto) ist für den Kunden zunächst „ein Gegenstand“, bei dem aber Unmengen an Informations- und Materialflüssen zusammengeflossen sind: Forschung, Entwicklung, Zulieferketten, Marketing, Buchhaltung, Rechtliches usw.

Die Informationsverarbeitung, die das Produkt hervorbringt, verschwindet in der „Black Box“ Unternehmen. Die ANT zeigt, dass wir, um diese Black Box zu verstehen, die vielfältigen Verknüpfungen im Inneren und mit der Umwelt sichtbar machen müssen.

Netzwerke und Macht durch Informationssteuerung

Ein weiterer Aspekt in der ANT ist, dass Machtbeziehungen in Netzwerken vor allem durch Kontrolle über Übersetzungen und Koordination entstehen. Übertragen auf Unternehmen heißt das:

  • Wer über kritische Informationen oder Schlüsselressourcen verfügt (z. B. Patente, seltene Rohstoffe, essenzielle Kundenkontakte), hat im Netzwerk eine stärkere Verhandlungsposition.
  • Zentrale Knoten (bspw. weltweit führende Unternehmen einer Branche) beeinflussen, wie andere Akteure ihre Prozesse gestalten (z. B. Lieferanten, die auf die Anforderungen des Großabnehmers abgestimmt werden müssen).

In diesem Sinne ist die steuernde Informationsverarbeitung[1] – beispielsweise über interne IT-Systeme, Lieferantenportale, Kunden-Tracking, Marktdatenbanken – ein wichtiger Faktor, wie sich Unternehmen im Netzwerk positionieren.


[1] Es bleibt an dieser Stelle wichtig, festzuhalten, dass Akteure nur durch die Selektion der von ihnen verarbeiteten Informationen und den von ihnen bereitgestellten Output steuernd auf andere Akteure wirken können (ihre Übersetzungsarbeit). Das Verhalten eines Akteurs wirkt aber auf andere Akteure zurück, so dass durch die Rückkopplung ein Einfluss entsteht.

Hybridität: Mensch und Nicht-Mensch im gleichen Netzwerk

Latour bricht konsequent die Idee auf, dass nur Menschen kommunikative Akteure sind. In Unternehmen zeigt sich dies deutlich:

  • Technische Artefakte (etwa eine komplexe Fertigungsstraße) können ein Projekt zum Erfolg oder Scheitern bringen – sie beeinflussen Termine, Qualität und damit auch Entscheidungen des Managements.
  • Organisationsregeln (z. B. Compliance-Richtlinien, Zertifizierungen) sind zwar menschlich geschaffen, entwickeln jedoch eine eigene Wirksamkeit und schränken Handlungsoptionen ein.

Durch den ANT-Blickwinkel erkennt man, dass Unternehmen, wenn sie miteinander und mit ihren Stakeholdern in Kontakt treten, nicht nur „soziale“ Beziehungen eingehen, sondern stets auch sozio-technische und materielle. Diese Beziehungen sind Grundlage für die gesamte Informationsverarbeitung und damit die Produktion von Gütern und Dienstleistungen.

Fazit zu Unternehmen als Akteuren im Netzwerk

Die Akteur-Netzwerk-Theorie von Bruno Latour verdeutlicht, dass Unternehmen in ihrer Rolle als Informationsverarbeiter keineswegs nur menschliche Kommunikationskanäle verkörpern. Sie sind vielmehr Knotenpunkte in einem weitverzweigten Netzwerk, in dem auch Maschinen, Dokumente, Software, rechtliche Rahmenbedingungen und physische Produkte als Akteure auftreten. Sie gestalten die Informationsflüsse und Entscheidungsprozesse maßgeblich mit.

Dieser Ansatz hilft, die komplexen, dynamischen Beziehungen zwischen Unternehmen, Mitarbeitenden, Zulieferern, Kunden und weiteren Stakeholdern in einem ganzheitlichen (sozio-technischen) Licht zu betrachten. So können wir besser verstehen, wie materielle und immaterielle Ressourcen – in Form von Daten, Rohstoffen, Ideen oder Technologien – durch stetige Übersetzung zu marktreifen Produkten, Dienstleistungen oder Innovationen werden. Aus dieser Perspektive ist die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ein kollektiver Informationsprozess, der sich in einem Netzwerk stetig anpasst, formt und (neu) stabilisiert.

Informationsverarbeitung im Akteurs-Netzwerk

Da wir jetzt mit Hilfe der Akteur-Netzwerk-Theorie die Kommunikation in der Wirtschaft als einen Informationsaustausch zwischen Akteuren in einer Netzwerkstruktur identifiziert haben, können wir uns im nächsten Schritt damit befassen, wie soziale Systeme Informationen verarbeiten. Es wird sich herausstellen, dass sie so ähnlich wie neuronale Netze arbeiten. Das wird es uns im darauffolgenden Schritt erlauben ihre Arbeit als eine emergente, intelligente Form zu beschreiben und sie mit modernen Anwendungen der künstlichen Intelligenz zu vergleichen.

Informationsverarbeitung in Sozialen Systemen

Soziale Systeme sind hochkomplexe Gebilde, die Informationen auf ihre eigene, besondere Weise verarbeiten. Sie zeichnen sich durch spezifische Merkmale und Mechanismen aus, die es ihnen ermöglichen, sowohl in stabilen als auch in dynamischen Umfeldern erfolgreich zu agieren.

Theo Gehm beschreibt in seinem Buch „Informationsverarbeitung in sozialen Systemen“, welche Merkmale Netzwerke von Akteuren haben, die es ihnen erlauben, Informationen zu verarbeiten und dabei komplizierte Aufgaben zu lösen. Theo Gehm bezieht sich bei seinen Überlegungen vorrangig auf menschliche Kommunikation. Um sie in unserem allgemeinen Rahmen einsetzen zu können, werden wir sie allgemeiner auf den Informationsbegriff der Wirtschaft und auf Akteurs-Netzwerke anwenden, in denen sich die Grenze zwischen sozialer und technischer Kommunikation auflöst. Theo Gehms Darstellung beschreibt sehr genau, wie die Kommunikation in sozialen Systemen sich organisiert und auf diese Weise komplizierte Informationsverarbeitungsaufgaben löst. Die Darstellung ist etwas umfangreich, es lohnt sich aber, darauf einzugehen und sie auf den allgemeinen Rahmen zu übertragen. Die Beschreibung liefert anschließend die Basis dafür, wie wir konkret in sozialen Systemen steuernd einwirken können. Das ist vor allem für Unternehmenssteuerung und Controlling interessant.

Folgende Merkmale möchte ich an Theo Gehm Darstellung hervorheben.

Alogische und reaktive Informationsverarbeitung

Die Mechanismen der alogischen Informationsverarbeitung umfassen intuitive, emotionale und unbewusste Prozesse, die nicht strikt rational oder logisch sind[1]. Sie ermöglichen die Verarbeitung komplexer und unstrukturierter Informationen, wie sie oft in sozialen Interaktionen auftreten. Sie erlauben es, auf subtile, implizite und unklare Signale in der Kommunikation zu reagieren.

Alogische und reaktive Prozesse

Alogische und in der Regel auch reaktive Prozesse in Gruppen sind effizient, weil sie auf Mechanismen beruhen, die sich von herkömmlicher systematischer und planvoller Informationsverarbeitung unterscheiden. Anstatt langfristige, vorab geplante Strategien zu verfolgen, reagieren Gruppen auf Auffälligkeiten oder Veränderungen in ihrer Umgebung. Sie optimieren ihre Reaktionsmuster iterativ durch Rückmeldungen und Anpassungen. Diese Form der Anpassung erfordert weniger Vorwissen und ist besonders nützlich in dynamischen, komplexen Umgebungen, in denen langfristige Planung schwer umsetzbar ist.

Gruppen können außerdem effektiv arbeiten, ohne klare, explizite Ziele zu formulieren. Stattdessen werden unerwünschte Zustände vermieden oder bestehende Strategien optimiert, bis Rückmeldungen eine Änderung erzwingen. In sich selbst organisierenden Arbeitsgruppen wird oft erst dann ein Ziel definiert, wenn bestehende Vorgehensweisen nicht mehr ausreichen. Bis dahin agieren die Gruppen flexibel und experimentell. Der Verzicht auf feste Ziele ermöglicht eine größere Offenheit gegenüber alternativen Lösungswegen und fördert die Kreativität.

Selbstorganisation

Die Selbstorganisation der Gruppe erfolgt durch Rückkoppelung. Informationsaustausch in Gruppen funktioniert nämlich über Prozesse, bei denen relevante Informationen durch Interaktion hervorgehoben und verstärkt werden. Alogische Entscheidungen entstehen, wenn die Gruppe spontan bestimmte Informationen priorisiert. Schlagworte oder Ideen beispielsweise, die innerhalb einer Gruppe oft wiederholt werden, entwickeln sich zu stabilen Konzepten, die die Entscheidungsfindung der Gruppe prägen. Die Rückkopplung filtert wichtige Informationen heraus und stärkt sie, ohne dass eine zentrale Steuerung erforderlich ist. Dies spart Ressourcen und fördert schnelle Entscheidungen.

Dabei profitieren Gruppen von der Diversität ihrer Mitglieder, da verschiedene Perspektiven und Bewertungsmaßstäbe zur Lösung eines Problems beitragen. Jeder Einzelne bringt eigene „alogische“ Entscheidungsmechanismen ein. In einer Diskussion erkennt ein Mitglied ein Muster oder eine Lösung, das anderen entgeht. Die Gruppe greift dies auf und integriert es in ihre Gesamtstrategie. Durch die Integration unterschiedlicher individueller Inputs wird eine breitere Basis für Entscheidungen geschaffen, was besonders bei komplexen Problemen vorteilhaft ist.

Stabilität

Stabilität erreichen Gruppen oft dadurch, dass alogische Prozesse zur spontanen Herausbildung stabiler Strukturen führen (z. B. Normen, Rollen oder Kommunikationsmuster). Dies fällt leichter, wenn nicht für jede Struktur eine vollständige und logische Begründung erforderlich ist. Diese emergenten Strukturen reduzieren die Komplexität und schaffen trotzdem Orientierung für zukünftige Entscheidungen[2]. Ein wiederkehrender Entscheidungsmodus innerhalb der Gruppe, etwa „Wir einigen uns erst auf das, was wir nicht wollen“, kann Konflikte minimieren und Prozesse vereinfachen. Die Stabilität dieser Strukturen ermöglicht es der Gruppe, sich auf wesentliche Aspekte zu konzentrieren, ohne ständig neue Regeln oder Prozesse erfinden zu müssen.

Anstatt zentral gesteuert zu werden, agieren Gruppen autonom, indem sie lokale Informationen verarbeiten und daraus kollektive Verhaltensmuster ableiten. In Krisensituationen reagieren Gruppen häufig schneller, wenn Entscheidungen dezentral und spontan getroffen werden, statt langwierige Abstimmungsprozesse zu durchlaufen. Diese Dezentralisierung reduziert die Reaktionszeit und erlaubt es, auf unerwartete Ereignisse flexibel zu reagieren.

Besonders geeignet bei Unsicherheit, Komplexität und Dynamik

Zusammenfassen kann man sagen, dass alogische und reaktive Prozesse besonders effizient in Umfeldern sind, die von Unsicherheit, Komplexität und Dynamik geprägt sind. Sie ermöglichen es Gruppen, flexibel und anpassungsfähig zu bleiben, indem sie Ressourcen für Planung und zentrale Steuerung minimieren. Das Zusammenspiel von Rückkopplung, Emergenz und Diversität der Perspektiven macht diese Prozesse zu einer Alternative zur traditionellen, planorientierten Informationsverarbeitung. Wir gehen auf die Instrumente und Strukturen, die hier verwendet werden, weiter unten noch einmal ein, nachdem wir zwei weitere Begriffe entwickelt haben: Es geht um Solitonen und die Semiosphäre. Sie werden es uns erlauben, Selbststeuerung und Stabilität der Informationsverarbeitung genauer zu erklären.


[1] Eine Diskussion der Rationalität in der Ökonomie findet sich in dem Aufsatz „Eine Verteidigung der Neoklassischen Ökonomie“. Dort leite ich ab, dass die Wirtschaft Flexibilität aus der Verwendung einer Rationalität ableitet, die nichts anderes ist als eine Spekulation auf Rationalität und Grundlage einer letztlich fiktiven Erzählung. Wenn man so will, ist das auch keine strikt rationale oder logische Rationalität.

[2] Es lohn an dieser Stelle der Hinweis, dass es sich bei den emergenten Strukturen um eine Form der Systembildung handelt. Systeme haben nicht immer klare und stabile Konturen. Die sich bildende Struktur hat aber tatsächlich die Form eines soziologischen Systems. Es ist autopoietisch und wird durch Kommunikation konstituiert. Es reproduziert sich, indem es Sinn durch Unterscheidung schafft und Unterscheidung durch Sinn. So grenzt es sich von seiner Umwelt ab. Dabei organisiert es soziale Interaktionen und strukturiert die Erwartungen und Handlungen seiner Mitglieder.

Solitonen in sozialen Systemen

Solitonen sind ein Konzept, das ursprünglich aus der Physik stammt, um stabile, sich selbst erhaltende Wellen zu beschreiben, die unter bestimmten Bedingungen ungedämpft fortbestehen. In sozialen Systemen wird der Begriff metaphorisch verwendet, um stabile, selbstverstärkende Kommunikations- und Verhaltensmuster zu beschreiben, die emergent aus der Interaktion der Gruppenmitglieder entstehen und die Dynamik der Gruppe prägen.

Evolution von Solitonen

Im Rahmen der Selbstorganisation von Systemen sind Solitonen stabile Muster, die durch Rückkopplungsprozesse innerhalb sozialer Gruppen entstehen. Sie „leben“ unabhängig von den individuellen Absichten der Mitglieder einer Gruppe und können sich selbst organisieren und verstärken[1].

Solitonen entstehen spontan aus einer Vielzahl an Interaktionen in einer Gruppe und sind nicht direkt geplant oder bewusst gesteuert. Beispiele sind Schlagworte, die innerhalb einer Gruppe immer wieder verwendet werden, Rituale, Auseinandersetzungen, die sich verselbständigen und die Gruppendynamik prägen und auch Stimmungen: Gemeinsame emotionale Zustände, die die Wahrnehmung und das Verhalten der Gruppe beeinflussen.

Die Bildung von Solitonen wird unterstützt durch Rückkopplung und Verstärkung in der Kommunikation, wenn diese als relevant empfunden und häufiger wiederholt wird. Solitonen entstehen bevorzugt aus Informationen oder Verhaltensweisen, die „passen“, d. h., die für die Gruppe nützlich oder funktional sind. Ähnlich wie in der Evolution „überleben“ nur die stabilsten Muster.

Ein wichtiger Beitrag zur Stabilität und zum Überleben von Solitonen in einem Unternehmen kann dabei von nicht-menschlichen Akteuren ausgehen. Die Kommunikation dieser Akteure ist in der Regel viel statischer, als die von menschlichen Mitgliedern einer Gruppe. Eine Maschine, zum Beispiel, die einen bestimmten Input und eine bestimmte Behandlung einfordert, normiert das Verhalten derjenigen, die mit ihr umgehen.

Der gegenteilige Effekt kann aber auch eintreten. Maschinen, die eine große Bandbreite von Verhalten ermöglichen, oder variantenreiche Werkstücke, die eine individuelle Bearbeitung brauchen, können zu einer Vielfalt von Verhaltens- und Kommunikations-Mustern führen, die das Wissen der Gruppe bereichert.

Funktion von Solitonen

In der Kommunikation der Gruppe haben Solitonen verschiedene Funktionen:

  • Sie reduzieren Komplexität, weil sie Orientierung und Stabilität schaffen, indem sie die Vielzahl der möglichen Informationen und Verhaltensweisen reduzieren.
  • Sie sorgen für Kohärenz und Identität, weil sie zur Bildung einer Gruppenidentität beitragen, indem sie als gemeinsame Referenzpunkte oder Normen fungieren.
  • Sie sorgen für Effizienz der Informationsverarbeitung, weil sie wichtige Informationen herausfiltern und verstärken. Das beschleunigt die Entscheidungsfindung.
  • Sie stabilisieren soziale Systeme, indem sie als Orientierungspunkte dienen, selbst in unsicheren und chaotischen Situationen.
  • Sie ermöglichen Emergenz, weil sie die spontane Herausbildung neuer Strukturen oder Verhaltensweisen fördern.

Solitonen werden in Informationsverarbeitungsprozessen zur Herausforderung, wenn sie so stabil werden, dass sie Veränderungsprozesse blockieren. Es besteht dann die Gefahr der Erstarrung des Systems. Konflikte als Solitonen können außerdem die Dynamik der Gruppe dominieren und zur Polarisierung führen.


[1] Auch für Solitonen gilt, dass sie Systeme sind, die von ihren Mitgliedern am Leben gehalten werden. Hierbei ist die Mitgliedschaft allerdings nicht formal. Mitglied ist man, wenn man an der Erzählung oder dem Verhalten der Solitone „mitstrickt“. Bei Solitonen handelt es sich damit ebenfalls um ein System im soziologischen Sinne.

Die Semiosphäre des Systems

Jurij Lotmann beschreibt in seinem Buch „Die Innenwelt des Denkens, Eine semiotische Theorie der Kultur“ die Semiosphäre als den semiotischen Raum[1], in dem kulturelle Kommunikation stattfindet. Sie ist ein dynamisches Netzwerk von Zeichen, Bedeutungen und Kommunikationsprozessen, das Kulturen organisiert und strukturiert. Die Semiosphäre zeichnet sich aus durch Heterogenität, in der unterschiedliche semiotische Systeme (Sprachen, Symbole, Codes) koexistieren und interagieren, Grenzen und Übergänge zwischen verschiedenen kulturellen Systemen, die als Orte des Austauschs und der Transformation dienen, und Dynamik, weil die Semiosphäre kein statischer Raum, sondern ein sich ständig veränderndes Netzwerk von Bedeutungen ist.

Einbettung von Solitonen in die Semiosphäre

Solitonen lassen sich gut in den Kontext der Semiosphäre einbetten, da sie als stabile, selbstverstärkende Informationsmuster agieren, die innerhalb eines Netzwerks von Zeichen (der Semiosphäre) wirken. Die zentralen Parallelen sind:

  • Emergenz von Bedeutung: Solitonen entstehen spontan aus der Interaktion sozialer Einheiten und etablieren sich als stabile Informationsstrukturen, die die Dynamik des Netzwerks prägen. In der Semiosphäre entstehen Bedeutungen durch die Interaktion und Transformation von Zeichen. Es gibt keine feste Bedeutung, alles ist relational und dynamisch. Solitonen können als spezifische semiotische Muster betrachtet werden, die innerhalb der Semiosphäre emergieren und ihre Struktur beeinflussen.
  • Selbstorganisation und Stabilität: Die Stabilität von Solitonen entsteht durch Rückkopplungsprozesse und Verstärkungen im sozialen Netzwerk. Die Semiosphäre organisiert sich selbst durch den Austausch und die Transformation von Zeichen. Stabile Muster (z. B. kulturelle Normen oder Erzählungen) entstehen in der Semiosphäre durch Wiederholung und Interaktion. Solitonen sind deshalb Teilprozesse, die die Selbstorganisation der Semiosphäre verdeutlichen, weil sie zeigen, wie stabile semiotische Einheiten entstehen.
  • Grenzbereiche und Hybridität: Solitonen bewegen sich entlang der Netzwerkknoten und können Grenzbereiche zwischen verschiedenen sozialen Subsystemen verbinden oder stabilisieren. Lotman betont, dass die Grenzen der Semiosphäre besonders produktiv sind, da sie den Austausch und die Hybridisierung von Zeichen[2] ermöglichen. Solitonen könnten deshalb als semiotische Phänomene verstanden werden, die auch in diesen Grenzbereichen wirken und so den Fluss und die Transformation von Bedeutung unterstützen.

Manifestationen der Dynamik und Stabilität kultureller Systeme

Solitonen sind, so gesehen, stabile semiotische Einheiten, die in der Semiosphäre entstehen und wirken. Sie sind Manifestationen der Dynamik und Stabilität kultureller Systeme. Die Semiosphäre stellt den umfassenden Raum dar, in dem Solitonen operieren. Die Semiosphäre ist der Ort, an dem Bedeutungen, Körper und Interaktionen zusammenwirken.

Solitonen und die Semiosphäre ergänzen sich. Zusammen bieten sie ein begriffliches Instrumentarium, um die emergenten, dynamischen und relationalen Aspekte sozialer und kultureller Kommunikation zu verstehen.


[1] Ein semiotischer Raum ist ein Konzept aus der Semiotik, das den Raum oder Kontext beschreibt, in dem Zeichen, Bedeutungen und Kommunikationsprozesse existieren, interagieren und sich entwickeln. Sie ist somit der „Ort“, an dem kulturelle Kommunikation und Bedeutungskonstruktion stattfindet.

[2] An den Grenzen treffen verschiedene Zeichensysteme aufeinander, wodurch ein kreativer Austausch und eine Hybridisierung von Bedeutungen (Aussagen werden aus den verschiedenen Kontexten der Semiosphären, die an der Grenze zusammentreffen, heraus interpretiert) stattfinden können. Neue Zeichen, Bedeutungen oder kulturelle Innovationen entstehen gerade durch diesen Überschneidungsprozess, da fremde Elemente integriert, übersetzt oder transformiert werden. Die Grenzen sind keine starren Barrieren, sondern dynamische Zonen, in denen Wandel und Neuschöpfung stattfinden.

Selbstorganisation und Stabilität des Netzwerks

Durch die Interaktion der Konzepte von Solitonen und der Semiosphäre lassen sich die Begriffe Selbstorganisation und Stabilität im Kontext der Informationsverarbeitung sozialer Systeme präziser beschrieben. Weiter oben hatten wir nur die alogische Verarbeitung als deren Grundlage beschreiben. Die beiden Konzepte der Solitonen und der Semiosphäre helfen jetzt, die Mechanismen zu beleuchten mit denen soziale Systeme Informationen verarbeiten.

Selbstorganisation

Selbstorganisation ist ein Prozess, in dem sich ein System aus sich selbst heraus ohne externe Steuerung bildet. Dabei entstehen durch lokale Interaktionen der Elemente des Systems spontane Muster oder Regeln, die zu stabiler Ordnung und Kohärenz auf der Systemebene führen.

Solitonen spielen dabei die entscheidende Rolle. Sie bilden, wie oben beschrieben, meist spontan stabile, emergente Muster von Informationen und Verhalten. Die dadurch etablierte Ordnung macht sie zum Träger der Selbstorganisation[1].

Die Semiosphäre bietet den semiotischen Raum, in dem Zeichen, Bedeutungen und Muster entstehen. Selbstorganisation basiert in der Semiosphäre wiederum auf der Interaktion verschiedener semiotischer Systeme, so wie wir es weiter oben als Hybridisierung in ihren Grenzbereichen beschrieben haben. So bringen sie neue Bedeutungen hervor und reorganisieren bestehende Strukturen.

In der Semiospäre können Solitonen als „kulturelle Muster“ angesehen werden. Sie fördern die Selbstorganisation des Systems, indem sie Orientierung schaffen und gleichzeitig Innovation ermöglichen. Solitonen stabilisieren somit die Kommunikation, während die Semiosphäre den Raum für deren Dynamik bereitstellt.

Stabilität

Stabilität bedeutet die Aufrechterhaltung der Ordnung. Solitonen wirken stabilisierend, weil sie genau die wiedererkennbare Struktur innerhalb des Netzwerks schaffen, die wir als Ordnung bezeichnen. Durch ihre Strukturen bündeln sie Aufmerksamkeit, Ressourcen und Energie.

Die Semiosphäre bietet einen Kontext für die Produktion und Interpretation von Zeichen und damit die Basis für stabile Informations- und Verhaltensmuster. Es entstehen Muster, die als Grundlage für kulturelle Identität und kollektives Gedächtnis dienen. Die Semiosphäre ist dabei flexibel genug, um Veränderungen zu ermöglichen, aber stabil genug, um Orientierung zu bieten[2].

Solitonen sorgen für Stabilität auf Mikroebene (z. B. innerhalb von Gruppen oder Interaktionen), während die Semiosphäre die Makroebene bereitstellt, in der diese stabilisierenden Prozesse stattfinden. Die Stabilität sozialer Systeme ergibt sich also aus dem Zusammenspiel lokaler Muster (Solitonen) und globaler Strukturen (Semiosphäre).

Die Kombination von Stabilität und Dynamik

Ein zentrales Merkmal sowohl von Solitonen als auch der Semiosphäre ist ihre Fähigkeit, Stabilität mit Dynamik zu kombinieren. Diese scheinbare Paradoxie ist entscheidend für die Anpassungsfähigkeit sozialer Systeme.

Solitonen sind stabil, aber nicht starr. Sie bieten Stabilität durch Veränderung und passen sich durch Rückkopplung und Kontextwechsel an neue Bedingungen an. Veränderung und Anpassung wird dabei durch die oben beschriebene alogische Informationsverarbeitung unterstützt.

Die Semiosphäre bietet Dynamik durch ihre Grenzbereiche. Sie fördern den Austausch zwischen verschiedenen Systemen, was neue Bedeutungen und Muster ermöglicht. Die Semiosphäre schafft dadurch die Umgebung, in der dynamische Prozesse stattfinden können[3], während Solitonen dafür sorgen, dass diese Prozesse stabil genug bleiben, um Orientierung und Kohärenz zu gewährleisten.

Ordnung in Netzwerken

Selbstorganisation und Stabilität sind bei alldem Prozesse in Netzwerken. In sozialen Systemen entsteht Ordnung (Selbstorganisation) nicht durch zentrale Kontrolle, sondern durch die spontane Herausbildung stabiler Muster (Solitonen). Die Ordnung wird getragen von einem dynamischen, vernetzten Raum, der Semiospäre. Solitonen und die Semiosphäre sorgen zusammen dafür, dass soziale Systeme trotz ständiger Veränderung kohärent bleiben. Sie schaffen Orientierungspunkte, die sowohl Flexibilität als auch Beständigkeit ermöglichen.

Bei der Beschreibung von Selbstorganisation und Stabilität des Netzwerks sind wir kaum auf den Unterschied zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren eingegangen. Der Unterschied ist nämlich auch nicht maßgeblich für die Funktion von Solitonen und Semiosphären. Bei Solitonen haben wir es schon kurz erwähnt: nicht-menschliche Akteure leisten ihren Beitrag zur Stabilität oder Dynamik, der das Muster der Solitonen zwar beeinflusst, aber es auch als Muster bestätigt. In der Semiosphäre ist der Beitrag zur Schaffung von Bedeutung sehr ähnlich: die Bedeutung von Kommunikation entsteht aus der Verwendung von Kommunikation. Nicht-menschliche Kommunikation bedeutet zwar etwas anderes, aber auch sie trägt ihren Teil zur Gestaltung von Bedeutung bei.


[1] Muster von Informationen und Verhalten sind die Grundlage für die Ordnung des Systems. Es lässt sich zeigen, dass die Bildung solcher Muster erstens als eine Systembildung verstanden werden kann und zweitens damit die Grundlage für Informationsverarbeitungsprozesse bildet, die sich um die Setzung von Sinn als Kristallisationspunkt für Information entwickeln. Man kann diesen Vorgang als eine Art Chunking verstehen, in dem Signale sich durch Unterscheidung zu einem Muster versammeln, das einen Unterschied macht. Hierzu entsteht ein separater Aufsatz.

[2] Diese Formulierung klingt wahrscheinlich zielorientierter als sie ist. Muster bilden sich in einem evolutionären Prozess. Das heißt, was nicht gebraucht werden kann, verschwindet. Es überleben genau solche Muster, die den Anforderungen genügen. Sie sind daher automatisch flexibel genug und stabil genug. Was gebraucht werden kann, bestimmt dabei der Sinn der Informationsverarbeitung und der Kontext, in dem dies geschieht.

[3] Auch hier möchte ich darauf hinweisen, dass sich Semiosphären evolutionär entwickeln. Bedeutungen und Kommunikationsprozesse finden Anschluss, wenn sie verwendet werden. Und sie werden verwendet, wenn sie als nützlich erscheinen. Die Semiosphäre als Raum von Bedeutungen, in dem das Netzwerk operiert, entsteht durch das operieren des Netzwerks. In Abwandlung des Zitats von Thomas A. Bauer „Kommunikation interpretiert, was Gesellschaft ist oder sein könnte. Gesellschaft interpretiert, was Kommunikation meint oder meinen könnte.“ (Bauer 2017, Seite 1) Könnte man sagen: Das System – verstanden als Netzwerk von Akteuren – erzeugt, was die Semiosphäre ist oder sein könnte, und die Semiospähre repräsentiert, was als Ordnung des Systems gilt oder gelten könnte.

Effiziente Verarbeitung im Netzwerk

Um zu zeigen, wie die Fähigkeit von sozialen Systemen zu anspruchsvollen Informationsverarbeitungsprozessen entsteht, führen wir die Komponenten noch einmal zusammen.

  • Alogische und reaktive Prozesse ermöglichen es sozialen Systemen, mit unvollständigen oder unsicheren Informationen umzugehen. Sie geben ihnen die nötige Flexibilität in dynamischen Umgebungen, in denen starre Pläne versagen würden.
  • Solitonen bieten Orientierungspunkte, die die Informationsverarbeitung strukturieren und stabilisieren. Sie verhindern, dass das System in chaotische Zustände verfällt.
  • Selbstorganisierte Prozesse nutzen die kollektive Intelligenz des Systems und geben ihm Effizienz. Rückkopplung und lokale Entscheidungen gewährleisten, dass relevante Informationen verstärkt und irrelevante ausgefiltert werden.
  • Die Semiosphäre schafft einen Raum für den Austausch und die Transformation von Ideen. Grenzbereiche fördern die Entstehung innovativer, neuer Lösungen und die Integration verschiedener Perspektiven.
  • Die Kommunikation von menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren muss für diese Prozesse nicht unterschieden werden. Sie tragen zwar im Einzelfall unterschiedliche Bedeutungen, ihr Einfluss auf die Verarbeitung von Information ist aber gleichartig.

Ein praktisches Beispiel verdeutlicht das Zusammenspiel:

  • Alogische Prozesse: In einer Gruppe, die mit einer unerwarteten Krise konfrontiert ist, wird nicht sofort ein detaillierter Plan erstellt, sondern es wird improvisiert und auf Feedback reagiert.
  • Solitonen: Ein gemeinsames Ziel oder ein etabliertes Ritual (z. B. regelmäßige Meetings) stabilisiert die Gruppe und bietet Orientierung.
  • Selbstorganisation: Gruppenmitglieder übernehmen spontan Aufgaben, die ihren Fähigkeiten entsprechen, ohne dass eine zentrale Steuerung nötig ist.
  • Semiosphäre: Der kulturelle Hintergrund und gemeinsame Werte der Gruppe sorgen dafür, dass die Entscheidungen auf einer geteilten Basis getroffen werden.
  • Nicht-menschliche Akteure haben einen Anteil am Verhalten der Gruppe: Sie beeinflussen Handlungsspielräume vielleicht durch Regeln, oder schränken sie ein, wenn zum Beispiel der Funktionsumfang einer Maschine, die benötigt wird, nur bestimmte Handlungen zulässt.

Die Fähigkeit sozialer Systeme, anspruchsvolle Verarbeitungsprozesse zu gestalten, beruht damit auf der Balance zwischen Stabilität und Dynamik. Stabilität durch Solitonen und Selbstorganisation bietet Orientierung und verhindert Chaos. Dynamik durch alogische Prozesse und aus der Semiosphäre ermöglichen Anpassungsfähigkeit und Innovation.

Dieses Zusammenspiel erlaubt es sozialen Systemen, flexibel auf komplexe Herausforderungen zu reagieren und dabei gleichzeitig kohärent und effizient zu bleiben. Es ist diese dynamische Balance, die soziale Systeme so leistungsfähig macht. Menschliche und nicht-menschliche Akteure können und sollten dabei zusammen gedacht werden.