Was sind Kolimiten?

Erläuterung an einem Beispiel

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Stellen wir uns eine Gruppe von Menschen vor, die sich zusammenfinden, um gemeinsam eine Aufgabe zu erledigen. Das kann das Herausgeben einer Zeitschrift sein. Diese Gruppe arbeitet zunächst informell zusammenarbeiten: Jeder übernimmt eine Aufgabe (Layout, Texte sammeln, Finanzierung etc.), und man stimmt sich loses über E‑Mails und Treffen ab. Wir fassen das als eine vorläufige oder potenzielle Organisation auf.

Irgendwann passieren es, dass diese Gruppe sich „festigt“. Sie legt Rollen fest, verteilt Verantwortlichkeiten verbindlich und gründet einen eingetragenen Verein. Dieser Verein hat nun eine eigene Identität: Er kann Verträge schließen, Konten führen und im Namen der Gruppe nach außen auftreten. An diesem Punkt entsteht aus der anfänglich lockeren Gruppe ein „zusammengebundenes Ganzes“.

In der Sprache der Kategorientheorie sagt man: Die ursprünglich losen Komponenten (die einzelnen Menschen und ihre Zusammenhänge) haben sich in einem neuen „Ding“ – dem Verein – verkörpert. Dieses neue Ding erfüllt genau die Aufgaben, für die sich die Gruppe zusammengeschlossen hat. Deshalb ist es mehr als nur die Summe der Mitglieder. Es bindet alle Komponenten zu einem einzigen funktionierenden Ganzen.

Verwendung in der Mathematik

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In der Mathematik, speziell in der Kategorientheorie, spricht man in einer solchen Situation von einem Colimit. Das ist eine Struktur (oder ein „Pattern“), das anstelle seiner Teile auftritt. Es ist also ein Objekt, das die Teile und ihre Beziehungen aufnimmt und nach außen als eine Einheit vertritt.

Ein „Pattern“ ist in der Mathematik ein Schaubild oder ein Netzwerk von Objekten und Pfeilen. Die Pfeile stellen die Verknüpfungen zwischen den Objekten dar. Im Beispiel sind die Objekte die Personen. Die Pfeile zeigen an, wie diese Personen zusammenarbeiten: Wer kommuniziert mit wem? Wer übergibt welche Informationen an wen?

Ein Colimit ist nun ein Objekt, das die Personen und ihre Verbindungen zu dem Verein zusammenfasst. Dieses Objekt ist in derselben Kategorie, weil es die Struktur auf eine kohärente Weise zusammenfasst. Es „klebt“ alle Bestandteile zusammen (also alle Personen und ihre Beziehungen). Es übernimmt nach außen hin genau die Funktion, die all diese Personen gemeinsam erfüllen wollten (im Beispiel: die Herausgabe der Zeitschrift).

Bedingungen

Kohärentes Einbetten: Die vorhandenen Links und Beziehungen der Gruppe werden „respektiert“. Nichts von dem, was die Personen bisher an Struktur etabliert haben, wird ignoriert. Stattdessen spiegelt das neue Objekt alles als eine neue Struktur wider.

Funktionale Äquivalenz: Das neue Objekt (der Verein) kann das gleiche leisten wie die ursprüngliche Gruppe, nur eben als eine gebündelte Einheit.

Aus Sicht der Kategorientheorie ist der Colimit außerdem universell: Er ist das „kleinste“ oder „natürlichste“ Objekt, das diese Zusammenfassung liefert. Das bedeutet: Falls es irgendein anderes Objekt gibt, das dieselbe Funktion des Zusammenbindens erfüllt, dann gibt es immer eine eindeutige (mathematisch definierte) Abbildung vom Colimit in dieses andere Objekt. In der anschaulichen Vorstellung heißt das: Es ist egal, ob man einen Verein gründet oder eine andere Form von Organisation wählt (GmbH, Genossenschaft). Der Colimit ist das Objekt, dessen Funktion in jeder Variante auf die gleiche Weise erfüllt wird.

Fazit

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Ein Colimit ist in der Kategorientheorie das mathematische Objekt, welches eine Menge an Komponenten (Objekten) und ihre Beziehungen zusammenbindet, so dass sie nach außen als eine einzige Einheit auftreten.

Das Bild der Vereinsgründung oder der institutionalisierten Gruppe illustriert, was „Binden“ bedeutet: Es entsteht ein neues „Ding“ (der Verein), das dieselbe Aufgabe erfüllt wie die einzelne Gruppe, aber als eine Organisation.

Damit wird das abstrakt klingende Konzept mathematisch fassbar – und zugleich alltagstauglich illustriert: So wie man eine informelle Gruppe rechtlich verfestigt, fasst ein Colimit ein loses Schaubild in ein einzelnes Objekt zusammen. Es steht dann für das Ganze.

Dadurch erhält das „Pattern“ der einzelnen Komponenten und Verknüpfungen einen Abschluss: Es existiert nun ein Objekt, das all ihre Beziehungen integriert und „legalisiert“. In mathematischer Hinsicht sagt man, es repräsentiert das gesamte Schaubild als eine Einheit. Dieses „Repräsentieren als eine Einheit“ ist das Kernelement der Idee eines Colimits.